Dienstag, 17. Juni 2014

Stilbrüche Umbrüche Durchbrüche Bruchsal


Herrschaften: jetzt kommt ein schwerer Stilbruch:

Ich schreibe mal ein paar Sätze, weil ich nicht mehr hinterherkomme mit den Eindrücken und dem Filmchen-basteln und den Mails schreiben.
Außerdem hab ich den Rückflug gebucht.
Das verändert die Situation massiv.
Der Faktor Zeit gewinnt Gewicht. Muss ich wieder wegmeditieren...
Also @ Mama: falls ich nicht den Rappel kriege und wieder umbuche, fliege ich Ende Juni wieder nach Schwaben.

Heute beginne ich den zweiten Circle (Kreisel) der Reise in Marokko ab Marrakech.
Und es zeigt sich heute, dass meine (Üb-) Erlebens-Strategie der ersten Tage in Marrakech bewährt hat:
ich hatte mir eine Woche Zeit genommen, um die Angst vor dem Wahnsinn hier zu verlieren, anstatt wie geplant, am zweiten Tag Expeditionen zu verehrgeizen.

Marrakech:

Die Hauptsache für uns "Touris" oder "Traveller" (zweitere haben ein oder zwei Sterne mehr, als  erstere: also für alles weitere bin ich ein "Traveller" und verliere gerne mal ein abfälliges Wort über die "Touris") spielt sich um den Gemna al Fna ab. Das ist ein riesiger Marktplatz dessen Geschehen anfänglich wie das total komplette Chaos anmutet. Schlangenbeschwörer, Affendompteure, Bettler, Marktstände, Marketender auf dem Boden, Teppichverkäufer, Trommler, Tröter, Glöckner,  Pferdekutschen, Eselskarren, Mopeds, Fahrräder, Bettler, Touristen, noch was? Südlich und östlich um den Platz Cafes, Restaurants. Nördlich beginnen die Souks, das ist eine Art überdachtes Kaufhaus mit kleinen Straßen, wie ein riesiges Gebäude oder ein Einhaus-Dorf oder ein Dorf-Haus. Oder so.
Dazu später.
Den Gemna al Fna, "La Place", sagen hier alle dazu, zu beobachten war meine erste Strategie. Also kreiselte (wie gesagt, ich bewege mich in Kreisen, nicht dass ich jetzt ins Philosophische lappen will oder in die Esoterik abschweifen, ich meine das ganz im Sinne des Wortes) ich täglich durch die Cafes außenrum. Mal im Straßencafe am Rand des "la Place"  (du bist ansprechbar für die mobilen Straßenhändler und Bettler, für Kinder,die Päckchen mit Tempotaschentücher verkaufen, Zigaretten- und Mobilphonevertickerer), mal in den Dachgeschossen und Dachterassen (hier hast du einen irren Überblick über das Gewusel auf dem Platz und man kann vor sich hinträumen und wenn das Wetter es zulässt, sieht man den Anfang der Atlasberge). Mal Kaffeetrinken, mal den Tee der Berber (grüner Tee mit frischer Minze) alles gut gezuckert...immer geraucht.  Ich saß im Café de la France, (Leute!!!), ganz im Gedenken an Burroughs und die anderen alle, deren Namen mir abhanden gekommen sind o.k. Paul Bowles und Saint Exuperie (wie schreibt sich denn der???)  muss man kennen...
Auf Haschisch hab ich für dieses mal verzichtet, irgendwie ist man eh stoned von all den Geräuschen, Gerüchen und Farben. Und dann glotzen, glotzen, glotzen.
"La Place", das ist ein Kunstwerk, eine Dauerperformance: du siehst halbnackte Westschönheiten mit ihren kurzbehosten Beschützern, sonnenbebrandet, die ihren Damen fürsorglich die knappbedeckten Arschbacken tätscheln neben Burkaträgerinnen, ihre Einkäufe auf dem Kopf hinter ihren Ehemännern herbalancierend, drei kleine Kinder dabei: eins unter der Burka, eins an der Hand, eins am Burkazipfel hängend. Da sitzen Hennamalerinnen auf dem Boden (obacht, die sind gewalttätig, wenn sie Opfer riechen...). Orangensaftverkäufer, die in 4 Meter hohen Ständen hinter Bergen aufgetürmer Orangen verschwinden. Und Gewürzverkaüfer in ähnlichen Ständen, die aus einer 50 cm großen (kleinen) Öffnung wie aus einem Loch in einem Gewürzfeld ab dem Bauchnabel herausragen. Da stehen die 10 Stunden drin. Das ist ein Leben. ... und so weiter, ich verliere mich in Betrachtungen....
Wen nimmts Wunder
Die zweite Übung war: Bewegen in den Souks und in den Gassen.
Nachdem ich einen Tag lang verzweifelt mit dem Plan hantiert habe, irgendwelche Ratschläge des Reiseführeres brav zu befolgen versuchte und nichts aber auch nichts gefunden habe, mich total verlaufen habe, in schrecklichen (nun, jetzt sind sie nicht mehr so schrecklich: das war der Kulturschock) Vierteln wiedergefunden habe, (dazu später mehr...) bin ich dann am zweitenTag losgetapert, mit dem Ziel mich zu verlaufen.
Und alles war wunderbar: keinen Führer mehr abwehren. statt dessen relaxed verirren und stolz sein, wenn man sich wiederverirrt hat.
Dabei Atemübungen machen und üben, sich zu bewegen, sich umzuschauen: die Mortorräder in den kleinen Gassen haben gerne breite Wagen hintendran, in denen sonstwas transportiert wird, die fahren dich gerne mal an.
Und mental: gib dein Ego auf. Das behindert nicht nur dich, sondern auch die anderen.
Ab dann lernst du dich in den Organismus einzuleben, zu integrieren, du bist nur ein Molekül des ganzen Waberwesens, das niemals stillsteht.
(Schon wieder: laberlaberlaber, das schreit ja nach einem längeren Aufsatz... )
Dennoch weiter: wenn ich mich also so richtig absolut verfranst hatte, blieb ich an einer Ecke stehen und rief selig grinsend in die Welt: "La Place?"  Manchmal auch: "I've got lost!" Alle Umherstehenden wiesen mit der Hand in die Richtung, die ich einschlagen sollte (manchmal lachten die sich kaputt) und anstatt die Touristenkaperer abzuwehren, fühlte ich mich wie in Abrahams Schoß. (Da ich ja das Ego schon vorher den Hasen gab, wars wurscht, leicht debil rüberzukommen)
Da sind viele Facetten der Scenerie nachzuliefern aber der Ruf des Imam, der alle paar Stunden über all das hinüberwogt und beruhigt, fordert, auffordert und die Richtung hält, der gehört jetzt schon in das Bild. So, wer kann sich da verlieren.

Was ich sagen wollte, ich komme heute hier an, vom Land und kleineren Städten in den Moloch und es fühlt sich an wie Heimkommen. Also hat sich die Woche üben doch tatsächlich gelohnt. Irre. So sollte es mir mal in Stuttgart gehen und wie lange hab ich da schon geübt, der Deibl weiß, was genau.
Jetzt geht die Batterie von meiner kleinen Kiste aus, auf die ich einhacke, ich sitze auf dem Dach meines Riads es sind 28 Grad ein Lüftchen weht und man hört die Trommeln und die Flöten von Place herschallen, dazwischen ruft der Imam, Rauch in der Luft von den Feuer auf dem Place. Geil.

Yours
love pätti

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